§ Infos zum Pflegezeitgesetz

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Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege

Am 14.11.2014 fand im Bundestag die erste Lesung des Gesetzesentwurfs zur besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege statt. Das Gesetz tritt zum 01.01.2015 in Kraft.

Zielsetzung
Mit diesem Gesetzesentwurf möchte die Bundesregierung „die Möglichkeiten des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes enger miteinander verzahnen und weiterentwickeln“ [1] . Die Bundesregierung zeigt sich überzeugt, dass pflegende Angehörige durch diese Gesetzesnovelle „spürbar entlastet“ werden. Pflegenden Angehörigen soll künftig die Sicherheit geboten werden, sich um ihre pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern, ohne dass sie dafür ihren Beruf aufgeben müssen.

Wesentliche Neuerungen zum PflegeZG und zur Familienpflegezeit
Mit der Gesetzesreform sollen folgende Neuerungen eingeführt werden:

  • Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit
  • Lohnersatzleistung während der Pflegezeit, also einer kurzzeitigen pflegebedingten Arbeitsverhinderung bis zu zehn Tagen, in Form eines Pflegeunterstützungsgeldes

 

  • Rechtsanspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung von bis zu drei Monaten, wenn sie einen nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase begleiten möchten
  • Anspruch auf ein zinsloses Darlehen des BAFzA bis zur Hälfte des durch Arbeitszeitreduzierung fehlenden Nettogehalts bei Inanspruchnahme einer vollständigen oder teilweisen Freistellung von bis zu sechs Monaten
  • Ausweitung der Freistellungsdauer im Pflegefall je pflegebedürftigem nahen Angehörigen auf insgesamt 24 Monate, wobei Pflegezeit und Familienpflegezeit miteinander verzahnt werden und gemeinsam auf die 24 Monate angerechnet werden.

Darüber hinaus wird die Zielgruppe der pflegebedürftigen Angehörigen, für die eine Freistellung in Anspruch genommen wird, ausgeweitet. Einen Rechtsanspruch auf Freistellung haben künftig auch:

  • Beschäftigte mit pflegebedürftigen minderjährigen Kindern, die in einer außerhäuslichen Einrichtung betreut werden, dabei aber von ihren Eltern begleitet werden sollen
  • Beschäftigte, die einen nahen Angehörigen in seiner letzten Lebensphase begleiten möchten
  • Beschäftigte, die Stiefeltern pflegen
  • Beschäftigte, die Schwäger_innen pflegen
  • Beschäftigte, die Lebenspartner_innen in lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften pflegen

Freistellungsmöglichkeiten zur Pflege naher Angehöriger im Kontext des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege

  • Pflegezeit

Pflegezeit ist laut PflegeZG nach wie vor zu gewähren, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut auftretenden Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen ist. Wie bisher können maximal zehn Freistellungstage in Anspruch genommen werden. Ein ärztliches Attest ist beizubringen.

  • teilweise bzw. vollständige Freistellung von bis zu drei Monaten zur Begleitung eines nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase

 

Die Voraussetzungen sind in Artikel 2, § 3 c (6) wie folgt definiert: “Beschäftigte sind zur Begleitung eines nahen Angehörigen von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn dieser an einer Erkrankung leidet, die progredient verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativmedizinische Behandlung notwendig ist und die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt“. Ein ärztliches Zeugnis ist beizubringen.

Der Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleitung zur Begleitung in der letzten Lebensphase besteht unabhängig davon, ob der nahe Angehörige in häuslicher Umgebung gepflegt wird oder sich beispielsweise in einem Hospiz befindet.

  • Familienpflegezeit

Ab 1.1.2015 begründet die Neuregelung zur Familienpflegezeit das Recht einer Mitarbeiterin bzw. eines Mitarbeiters, seine Arbeitszeit aus Gründen der Familienpflege für einen Zeitraum von maximal 24 Monate reduzieren zu dürfen. Nach Ablauf der Familienpflegezeit hat sie bzw. er Anspruch auf Rückkehr zum Arbeitszeitumfang von vor Inanspruchnahme der Familienpflegezeit. Der Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit ersetzt die Freiwilligkeit der Umsetzung durch den Arbeitgeber.

Familienpflegezeit ist zu gewähren, wenn ein Beschäftigter einen pflegebedürftigen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegt. Wie bei der Pflegezeit ist ein ärztliches Attest beizubringen. Maximal können 24 Monate Familienpflegezeit pro pflegebedürftigen Angehörigen beantragt werden. Pflegezeittage werden verrechnet.

Gleich bleibt, dass bei Inanspruchnahme der Familienpflegezeit die Arbeitszeit auf maximal 15 Stunden je Woche verkürzt werden darf. (§ 2.1) Bei unterschiedlicher Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit ist die Mindestwochenarbeitszeit von 15 Stunden auf einen Durchschnitt von bis zu einem Jahr umzulegen. Der Rechtsanspruch gilt nicht für Betriebe mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten.

  • Anzeigepflicht und Vereinbarung zur Familienpflegezeit

Wer Familienpflegezeit beanspruchen möchte, muss dies dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor dem gewünschten Beginn schriftlich ankündigen. Gleichzeitig muss der bzw. die Beschäftigte erklären, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang innerhalb der Gesamtdauer die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen werden soll. Dabei ist auch die künftige Verteilung der Arbeitszeit anzugeben.

Pflegeunterstützungsgeld, Darlehen und Gegenfinanzierung der gesetzlichen Leistung

  • Pflegeunterstützungsgeld

Mit dem Pflegeunterstützungsgeld wird erstmals eine Lohnersatzleistung für akut notwendige Arbeitsfreistellungen im Ausmaß von maximal 10 Arbeitstagen gewährt. Die Lohnersatzleistung orientiert sich am Kinderkrankengeld , das ebenfalls reformiert wird. Statt wie bisher von dem Arbeitsentgelt auszugehen, das vor der Freistellung von der Arbeit erzielt wurde, wird künftig das ausgefallene Arbeitsentgelt während der Freistellung als Berechnungsgrundlage genutzt. Von den Arbeitgebern werden künftig weniger Informationen zur Gewährung des Kinderkrankengeldes und in der Konsequenz auch des Pflegeunterstützungsgeldes benötigt. Der Bürokratieaufwand wird vermindert.

Die Lohnersatzleistung im Umfang von maximal 70 Prozent des Nettoverdienstes wird vor allem über die Pflegeversicherungen gegenfinanziert.

  • Darlehen

Die Mehrausgaben für die Bereitstellung der zinslosen Darlehen und der Absicherung des Kreditausfallrisikos werden durch Einsparungen vollständig innerhalb der geltenden Haushalts ‐ und Finanzplanansätze des Einzelplans des BMFSFJ gedeckt.

Zur Vermeidung besonderer Härtefälle kann die Rückzahlung des Darlehens auf Antrag gestundet werden, ohne dass dafür Zinsen anfallen.

Gleichstellungspolitische Auswirkungen

Hierzu ist in Artikel 6.b, S. 35 Folgendes zu lesen:

„Das Gesetz bietet keine Grundlage für verdeckte Benachteiligungen, Beteiligungsdefizite oder die Verfestigung tradierter Rollen. Die Regelungen zur kurzzeitigen Arbeitsverhinderung, zur Pflegezeit und zur Familienpflegezeit sind grundsätzlich geschlechtsneutral ausgestaltet und richten sich an Frauen und Männer in gleicher Weise. Mittelbare gleichstellungspolitische Auswirkungen könnten sich aber aus der Inanspruchnahme der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder der Freistellungen ergeben. Die Pflegenden sind überwiegend Frauen. Die Regelungen zielen darauf, die Teilhabe an Sorgearbeit und Erwerbstätigkeit weiter zu verbessern und insbesondere die Stellung der pflegenden Angehörigen durch den Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit und das Rückkehrrecht zum Arbeitsumfang vor Inanspruchnahme der Familienpflegezeit weiter zu stärken; dauerhafte Teilzeit oder gar ein Aufgeben der Berufstätigkeit zugunsten von Pflege werden so vermieden und die Vereinbarkeit von familiärer Pflege und Erwerbstätigkeit gestärkt.“

Kommentar

Die Novellierung des Pflegegesetzes setzt einige wichtige Impulse, löst allerdings das Hauptproblem, das sich für viele Erwerbstätige stellt, die zur Pflege ihrer Angehörigen ihre Arbeitszeit reduzieren nicht.

Auch wenn die Bedingungen zur Inanspruchnahme der Familienpflegezeit und entlastender Darlehen erleichtert werden und neue Freistellungsansprüche begründet werden, gibt es nach wie vor keine Kompensation für die in dieser Zeit entstehenden Einkommenseinbußen. Außerdem muss die pflegebedingte Arbeitszeitreduzierung innerfamiliär kompensiert werden. Des Weiteren begünstigt die Gesetzeslage in diesem Kontext die überlieferte geschlechterspezifische Arbeitsteilung. Nach wie vor werden es auch künftig vor allem die Frauen sein, die zur Gewährleistung häuslicher Pflege ihre Arbeitszeit reduzieren und Einkommenseinbußen zu verkraften haben. Der Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit erscheint vor diesem Hintergrund zweitrangig.

Anders verhält es sich mit der Pflegezeit, für die durch Einführung eines Pflegeunterstützungsgeldes Einkommensausfälle erstmals zumindest teilweise kompensiert werden. Dies ist vor allem für Teilzeitbeschäftigte von besonderer Bedeutung, da sie vielfach über geringere Zeitguthaben verfügen. Insofern ist davon auszugehen, dass die Inanspruchnahme von Pflegezeit in den nächsten Monaten deutlich steigen wird.

Als bedeutsam zu bewerten ist ferner die Einführung einer Freistellungsoption zur Begleitung sterbender Angehöriger. Hiervon dürfte vor allem Signalwirkung ausgehen, den in den letzten Jahrzehnten sehr stark aus dem Alltagsbewusstsein verdrängten Tod wieder stärker ins Leben zu integrieren. Wie die Familienpflegezeit ist allerdings auch dieser Freistellungsanspruch unbezahlt. Trotz Anspruch auf Darlehen muss Frau/Mann sich auch diese Freistellung leisten können. Insofern ist auch hier zu bezweifeln, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von dieser Möglichkeit allzu häufig Gebrauch machen werden.

Fazit: Gute Ansätze, wichtige Signale, aber Gegenfinanzierung bleibt mit Ausnahme der zehntägigen Pflegezeit nach wie vor Privatangelegenheit.

Dr. Elisabeth Mantl
Berlin, 27. November 2014


1) Pressemitteilung: Weitere Informationen finden Sie unter www.bmfsfj.de.


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