Sie war erst 18, als sie 1926 ihren unehelichen Sohn Lasse in einem Kopenhagener Krankenhaus zur Welt brachte. Erst mit 70 Jahren sprach Astrid Lindgren mit ihrer Biografin Margareta Strömstedt über dieses für sie so wichtige Ereignis in der Öffentlichkeit. 2018 hat Pernille Fischer Christensen diesen biografischen Ausschnitt verfilmt. In der Hauptrolle spielt eine starke Alba August.
Im Film begegnet man einer jugendlichen, aufmüpfigen sowie selbstbestimmten und nach Gleichberechtigung strebenden Astrid, immer wieder im Konflikt mit ihrer bäuerlichen Umwelt, der harten landwirtschaftlichen Arbeit, der religiösen Moral und kleinstädtischen Normen. Die Eltern agieren ambivalent, mal unterstützend, mal restriktiv. Jedenfalls aber kann Astrid ihr früh virulentes literarisches Talent als Volontärin der „Vimerby Tedning“ unter Beweis stellen.
Als sie von ihrem noch verheirateten und 30 Jahre älteren Chef Reinhold Blomberg schwanger wird, holt sie der Konservatismus der Zeit ein. Unehelichkeit ist Makel. Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen gilt als „Hurerei“ und ist strafbar. Die ungeplante Schwangerschaft läßt Lindgren fluchtartig nach Stockholm aufbrechen. Die Schwangerschaft muss geheim gehalten werden, der dörflichen Öffentlichkeit gegenüber aber auch vor den Scheidungsrichtern.
Kopenhagen ist der einzige Ort in ganz Nordeuropa, an dem ledige Mütter anonym entbinden konnten. Und so fährt auch Lindgren dorthin, um ihren Sohn Lasse zur Welt zu bringen. Mittellos und zunächst von der Familie unter Druck gesetzt, muss sie Lasse bei einer dänischen Familie zur Pflege lassen. Auf die behütete Kindheit folgen schwierige Jahre. Um selbständig zu werden, macht sie in Stockholm eine Sekretärinnenausbildung und wohnt mit einer Freundin in einem möblierten Zimmer. Die Mittel sind begrenzt, der Wunsch, Lasse bei sich zu haben, muss immer wieder verschoben werden.
Finanzielle Entlastung bringt erst ihre Anstellung beim Königlichen Automobilclub, wo sie auch ihren späteren Ehemann Sture Lindgren kennenlernt und es ihr in einem Kraftakt gelingt, Lasse nach Stockholm zu holen. Ein Fakt, der in der damaligen Zeit nur einer Minderheit der Mütter gelang.
Die gesellschaftliche und rechtliche Ächtung der ledigen Mütter wird am Beispiel des biografischen Ausschnitts aus dem Leben der Astrid Lindgren deutlich, aber auch der Mut der nach Emanzipation und Selbständigkeit strebenden jungen Frauen der 1920er Jahre. Filmerisch angedeutet werden der Beitrag, der den Zeitschriften und Modemagazine bei der Verbreitung eines sich wandelnden Frauenbildes zukam, aber auch die neuen – wenn auch zunächst kargen – Formen materieller Unabhängigkeit, die die modernen städtischen Dienstleistungsberufe der Stenotypistinnen und Sekretärinnen den ledigen jungen Frauen eröffneten. So gelingt es dem Film, nicht nur ein Lebens- sondern auch ein Zeitbild zu entwerfen.