Alleinerziehende: Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber_innen

Alleinerziehend_Mantl

Knapp 20 Prozent aller Haushalte mit Kindern werden von Alleinerziehenden geführt. 10 Prozent davon sind Männer.

Alleinerziehende sind schon lange keine Minderheit mehr. Knapp 20 Prozent aller Haushalte mit Kindern unter 18 Jahren werden von Alleinerziehenden geführt. 90 Prozent der Alleinerziehenden sind weiblich, 10 Prozent sind alleinerziehende Väter. Der Anteil männlicher Alleinerziehender mit Kindern unter drei Jahren geht allerdings statistisch gegen Null. Die Quote der Alleinerziehenden steigt jährlich und liegt in den neuen Bundesländern etwas höher als in den alten. Jede_r fünfte Alleinerziehende lebt in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern. In Großstädten ist etwa jeder dritte Haushalt als alleinerziehend registriert. Am höchsten war die Quote in Berlin mit 34,6 Prozent.

Mehr Daten und Fakten zu Alleinerziehenden finden in Sie in unserem aktuellen Reader: Beruf und Familie: die besondere Situation Alleinerziehender (pdf)

Die Herausforderungen der alleinerziehenden Mütter entstehen vor allem durch den Konflikt mit Arbeitsstrukturen, die nach wie vor voraussetzen, dass ein Elternteil zumindest teilweise für die Übernahme von Familien- und Betreuungsarbeit von der Erwerbsarbeit freigestellt ist.

Die Bewältigung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für Alleinerziehende individuell sehr unterschiedlich. Sie ist unter anderem abhängig vom sozialen Umfeld, dem Alter der Kinder und den persönlichen Bewältigungsmechanismen.[1]

Risikofaktoren können zu besonderen Notlagen und Unterstützungsbedarfen führen. Als besondere Risikofaktoren anzusehen sind: Minderjährigkeit bei Schwangerschaft, keine abgeschlossene Ausbildung, geringer Ausbildungsstand, geringe materielle Ressourcen, fehlende Unterstützung durch den Kindsvater, fehlende Unterstützung durch die eigene oder die Schwiegerfamilie, fehlendes soziales Netzwerk, eigene oder psychische/physische Krankheit eines Kindes.[2] Ein Zusammenwirken von günstigen Ressourcenfaktoren kann dagegen zu einer befriedigenden Lebenssituation Alleinerziehender führen.

Aussagen bezüglich Alleinerziehender lassen sich daher nur schwer generalisieren. Aber folgende Befunde erscheinen mit Blick auf die Einkommensquellen, mittels derer Alleinerziehende ihren und den Lebensunterhalt der Kinder sichern, gleichermaßen relevant:

  1. Gut 60 Prozent der Frauen, die zu überwiegenden Teilen auf Grund von Trennung oder Scheidung alleinerziehend sind, versorgen sich und ihr Kinder selbst. Sie sind zumeist bereits älter als 30 Jahre.
  2. Das Alter der Kinder spielt eine entscheidende Rolle beim Umfang der Erwerbstätigkeit: Je jünger das jüngste Kind ist, desto geringer ist der Anteil der berufstätigen Alleinerziehenden und desto niedriger ist das Einkommen.
  3. Das Haushaltseinkommen Alleinerziehender ist deutlich geringer als das pro-Kopf-Haushaltseinkommen in Paarhaushalten mit Familie.
  4. Alleinerziehende sind von der insgesamt deutlichen Einkommensungleichheit zwischen Männern und Frauen besonders betroffen. Diese resultiert u.a. aus der vorherrschenden geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der Berufswahl, die die Frauen auf Berufs- und Einkommensmöglichkeiten verweisen, die mit geringerem Einkommen und geringeren Aufstiegschancen verbunden sind sowie Teilzeit und Erwerbsunterbrechung für Mütter  befördern.
  5. Diese Benachteiligung wird weiter gefördert durch den unzureichenden finanziellen Ausgleich nach einer Trennung oder Scheidung und durch steuerliche Rahmenbedingungen.
  6. Auf Grund dieser finanziellen Rahmenbedingungen ist die Erwerbsorientierung bei den alleinerziehenden Frauen sehr hoch, gepaart mit einer vergleichsweise höheren Vollzeitorientierung.
  7. Aufgrund der finanziellen Notwendigkeit einer Vollzeitbeschäftigung sind Alleinerziehende in besonderem Maße auf eine Vereinbarkeit von Arbeitszeit mit verlässlichen Betreuungsangeboten beziehungsweise vice versa angewiesen und geraten hier schneller in Konflikte.
  8. Die schlechte finanzielle Situation wird von Alleinerziehenden vielfach als die größte Herausforderung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Alltagsbewältigung angesehen.

 

 

Empfehlungen für Arbeitgeber_innen

Anhand des bisher Ausgeführten ist deutlich geworden, dass Alleinerziehende mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind. Zum Teil sind sie bedingt durch die immer noch stereotype Berufswahl von Frauen bzw. durch die Tatsache, dass in den klassischen „Frauenberufen“ die Einkommens- und Aufstiegsmöglichkeiten begrenzt sind. Zum Teil entstehen Herausforderungen aufgrund der Zeitkonflikte, denen sich Alleinerziehende gegenübersehen, wenn es nicht oder nur unzureichend gelingt, Beruf, Betreuung und Familie zu vereinbaren. Hier bestehen Handlungsspielräume und angesichts der stetig wachsenden Zahl von Alleinerziehenden auch Handlungsnotwendigkeiten auf Seiten der Arbeitgeber_innen.

Über folgende Maßnahmen können Arbeitgeber_innen nachdenken, wenn sie Alleinerziehende besonders unterstützen möchten:

 

Vollzeitnahe Teilzeit

Wie gezeigt werden konnte, würden Alleinerziehende häufig gerne weniger arbeiten. Sie präferieren vollzeitnahe Teilzeitmodelle, die bisher aber erst selten angeboten werden. Die aus anderen Kontexten bekannte Forderung nach einer 35-Stunden-Woche gewinnt auch hier wieder an Brisanz.


Flexible Arbeitszeit- und -ortgestaltung

Vielfach ist eine Arbeitszeitreduzierung aufgrund der damit verbundenen Einkommenseinbußen trotzdem keine realistische Option. Unbürokratische und spontane Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeit- und -ortgestaltung, wie Gleitzeit, flexible Pausenzeiten, Telearbeit und dezentrales Arbeiten, können Alleinerziehende in besonderem Maße unterstützen, ihre Zeitkonflikte zu lösen. Die Abkehr von einer Präsenzkultur, die mit der Hinwendung zu einer stärkeren Aufgaben- und Ergebnisorientierung einhergeht, kann außerdem erheblich dazu beitragen, das Zeitmanagement von alleinerziehenden Beschäftigten zu erleichtern.


Unterstützung der Kinderbetreuung

Nicht alle Arbeitgeber können Betreuungsplätze in eigenen oder vertraglich dazu verpflichteten Kinderbetreuungseinrichtungen anbieten. Die Zahlung eines Betreuungszuschusses ist eine alternative Möglichkeit, Kinderbetreuung zu unterstützen, gerade auch, um Einkommensverluste aufgrund einer Tätigkeit in Teilzeit auszugleichen. Über die Kooperation mit einem Familienservice kann ein Arbeitgeber zudem eine Notfall- bzw. Randzeitenbetreuung zu Verfügung stellen.

 

Familiengerechte Terminorganisation

Alleinerziehende brauchen einen hohen Grad an Planbarkeit und Verlässlichkeit hinsichtlich ihrer Arbeitszeit, da sie viele verschiedene Bedürfnisse managen und ihr begrenztes Zeitbudget präzise organisieren müssen. Eine familiengerechte Terminorganisation, d.h. die Lage von Sitzungen und Besprechungen in betreuungsgesicherten Zeiten, trägt maßgeblich dazu bei.


Ausbildung in Teilzeit

Für Alleinerziehende, die aufgrund früher Mutterschaft nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Aus- oder Weiterbildung hatten, sind spezielle Qualifikations- und Nachqualifikationsangebote eine gute Unterstützung. Angebote einer Ausbildung in Teilzeit ermöglichen speziell den ganz jungen Alleinerziehenden einen Einstieg in das Berufs- und Erwerbsleben.


Unterstützung von Wiedereinsteigerinnen

Nach einer kurzen familienbedingten Freistellung ist es in der Regel unproblematisch, an den bisherigen Bildungs- und Berufsweg anzuknüpfen. Ist eine Nach- oder Umqualifizierung notwendig, können entsprechende Wiedereinstiegsmodelle vereinbart werden. Über spezielle Programme können insbesondere Alleinerziehende, die nach einer längeren Pause wieder in das Erwerbsleben einsteigen, erreicht werden. Lohnenswert erscheint auch die gezielte proaktive Ansprache des bislang ungenutzten Pools von besonders motivierten Wiedereinstiegsbereiten auf dem Arbeitsmarkt. Hier sind bedarfsgerechte Angebote zur Unterstützung der Um- und Nachqualifizierung gefragt. Erfolgreiche Qualifizierungsangebote müssen dabei die die zeitlichen Bedarfe von Alleinerziehenden berücksichtigen, z.B. sollte die Qualifizierung innerhalb der regulären Arbeitszeit möglich sein.

Stress- und Selbstmanagement

Eine wirkungsvolle Unterstützung bei der Bewältigung der hohen Zeitkonflikte, denen sich Alleinerziehende immer wieder ausgesetzt sehen, können Stress- und Selbstmanagementkurse im Rahmen eines innerbetrieblichen Gesundheitsmanagements leisten.

 

Eine offene Unternehmenskultur

Ein Abbau von bewussten und unbewussten Ressentiments bei gleichzeitig steigendem Bewusstsein für die besondere Lebenssituation und die damit verbundenen besonderen Herausforderungen und Leistungen Alleinerziehender ist generell nötig. Trotz der besonderen Unterstützungsbedarfe von Alleinerziehenden sollte nicht aus dem Blick geraten, dass mit den vorgeschlagenen Maßnahmen nicht nur Alleinerziehende, sondern generell alle Mütter und Väter, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu organisieren und zu bewältigen haben, entlastet werden können. Schließlich kann sich die konkrete Lebenssituation von Alleinerziehenden, die sich mit dem Vater der Kinder die Versorgung und Betreuung der Kinder teilen und/oder von ihrer Familie unterstützt werden, durchaus auch vergleichsweise besser darstellen als jene von Müttern und Vätern, die beruflich sehr stark eingebunden sind oder die nicht auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen können.

Individuelle Lösungen

Für jede Alleinerziehende gestaltet sich das Zusammenspiel von Faktoren rund um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterschiedlich, genauso gelten für jedes Unternehmen und für jede Institution andere Rahmenbedingungen. Insofern sind Lösungen anzustreben, die auf die individuelle Situation zugeschnitten sind, ohne dabei aber die dienstlichen Anforderungen und die Teamfähigkeit aus dem Blick zu verlieren.


[1] BMFSFJ, Monitor, 2012, S. 12ff. Definiert Mentalitätsmuster alleinerziehender Mütter, in der folgende Aspekte kategorisiert werden: Alter und Kinder, Lebenssituation, Alltagssituation, Erwerbstätigkeit, Partnerschaft, soziales Netzwerk, Bewertung der Situation, alleinerziehend zu sein. Ausführlich BMFSFJ, 2011, S. 43ff.

[2] Winkelmann, 2011, S. 28ff.

Eine ausführliche Literaturliste zum Thema finden Sie im Reader: Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Alleinerziehende (pdf)


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