Die Situation Alleinerziehender und ihrer Kinder bleibt im wissenschaftlichen Fokus. Nach 2014 hat die Bertelsmann Stiftung Anfang Juli eine neue Studie zur finanziellen Lage Alleinerziehender veröffentlicht. Wirkliche Verbesserungen können die Verfasserinnen der Studie trotz einiger Reformschritte nicht feststellen. Gleichzeitig ist die Zahl der Kinder, die in dieser Familienform aufwachsen, auf 2,3 Millionen angestiegen.
Nach wie vor sind Alleinerziehende sowohl wirtschaftlich als auch in Hinblick auf ihre gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabemöglichkeiten im Vergleich zu Paarhaushalten mit Kindern auffallend benachteiligt. Alleinerziehende und ihre Kinder weisen im Vergleich zu allen anderen Familienformen nach wie vor das höchste Verarmungsrisiko auf. 2015 bezogen 37,6 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland SGB-II-Leistungen. Das ist fünfmal mehr als bei Paarhaushalten mit Kindern. Tendenz, so zeigt die Studie, weiter steigend.
Anne Lenz und Antje Funcke können in ihrer Studie einen engen Zusammenhang zwischen Kindesunterhalt und Verarmungsrisiko nachweisen. Der ernüchternde Befund zeigt, dass jede zweite Alleinerziehende keinen Unterhalt erhält. 25 Prozent erhalten weniger, als ihnen gemäß gesetzlicher Vorgaben zustehen würde. Gleichzeitig ist der staatliche Unterhaltsvorschuss, den Alleinerziehende in diesem Fall beantragen können, stark reglementiert. Kinder bis zu einem Alter von fünf Jahren erhalten 145 Euro, 6- bis 12-Jährige 194 Euro. Der Kindesunterhalt deckt nur das sächliche Existenzminium des Kindes, nicht jedoch die steigenden Aufwendungen für Freizeitgestaltung, kulturell-soziale Teilhabe und Persönlichkeitsentwicklung. Darüber hinaus wird der Unterhaltsvorschuss nur für maximal sechs Jahre und nur bis zum Alter von 12 Jahren der Kinder geleistet. Mit Blick auf die Bildungs- und Teilhabechancen der Kinder sehen die Autorinnen hier dringenden Reformbedarf.
Warum der Kindesunterhalt nicht oder nicht in der gesetzlich geregelten Höhe gezahlt wird, ist noch gänzlich unerforscht. Die Autorinnen sehen jedoch im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: entweder sind die Durchsetzungsmechanismen der Unterhaltsansprüche unzureichend oder der unterhaltspflichtige Elternteil ist nicht zahlungsfähig. Kenntnisse darüber sehen die Autorinnen jedoch als zwingende Voraussetzung für entsprechende Anpassungsschritte im Unterhaltsrecht sowie bei den staatlichen Transferleistungen.
Darüber hinaus bemängeln die Autorinnen, dass in der politischen und juristischen Diskussion allzu oft das Kindeswohl aus dem Blick gerät. So wisse man viel zu wenig über die tatsächlichen Lebens-, Sorge- und Betreuungsmodelle, in denen die Kinder aufwachsen, wie die Kinder diese Modelle erleben oder welche Mehrkosten und Mehrbedarfe damit verbunden sind, wenn die Kinder regelmäßig Zeit in zwei Haushalten verbringen. Die geplanten weiteren Einschnitte im Grundsicherungsrecht SGB II, wonach der Regelbedarf des Kindes gekürzt werden soll, wenn der andere Elternteil keine Leistung bezieht, sehen die Autorinnen vor diesem Hintergrund besonders kritisch.
Lenz und Funcke sehen insgesamt gravierenden Forschungs- und rechtlichen Anpassungsbedarf, um mittelfristig eine Verringerung des Verarmungsrisikos von Alleinerziehenden und ihrer Kinder zu erzielen.
Die Ergebnisse der Studie einschließlich der entsprechenden Reformvorschläge finden Sie unter www.bertelsmann-stiftung.de.