Historisches Streiflicht:
Die Anfänge des mobilen Arbeitens

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Die Ölkrise und verstopfte Verkehrswege in den USA führten zu ersten Konzepten für mobiles Arbeiten. (Foto: ppmsca 03433, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA)

Die Anfänge der Telearbeit respektive des mobilen Arbeitens gehen in die Jahre 1960/1970 zurück. Die erste breit angelegte Debatte über dezentrales Arbeiten wurde in den USA als Folge der Ölkrise losgetreten. Verstopfte Verkehrswege, hohe Benzinpreise, saurer Regen sowie die Verbreitung moderner Informationstechnologien ließen Arbeitgeber sowie Politiker über alternative Arbeitsformen nachdenken. Die Möglichkeit, zumindest zeitweise auch von zu Hause aus zu arbeiten und Wege einzusparen, erschien als vielversprechende Maßnahme zur Verkehrsberuhigung und für den Umweltschutz. Mit der Möglichkeit zum mobilen Arbeiten von zu Hause aus sollten Fahrten zur und von der Arbeit eingespart und in der Folge der Energieverbrauch sowie das Verkehrsaufkommen verringert werden.

Nach und nach wurde das Argument der zeitlichen Entlastung von Beschäftigten mit Familie, allen voran von Müttern, wichtiger. Erst mit dieser so gearteten Arbeitnehmerperspektive hat die Telearbeit in den USA in den letzten 30 Jahren rasant an Bedeutung gewonnen. 2002 arbeitete in den USA bereits ein Viertel der Erwerbstätigkeiten dezentral. [1,2]

In Deutschland stand man diesem Trend viele Jahre sehr viel skeptischer gegenüber. Durch die begriffliche Verzahnung des Instruments der Telearbeit mit Heimarbeit dominierten über lange Jahre die Vorbehalte, indem mit dem Begriff Heimarbeit vor allem die prekären Beschäftigungsverhältnisse traditioneller Heimarbeit assoziiert wurden. Insofern standen insbesondere die Gewerkschaften der Telearbeit ablehnend gegenüber. 1983 forderte die IG Metall gar ein gesetzliches Verbot der elektronischen Heimarbeit, da diese auf eine elektronische Einsiedelei hinauslaufe, die keine ausreichenden Möglichkeiten biete, Arbeitnehmerinteressen zu schützen. [3] Die richtungsweisenden Aktivitäten kamen folgerichtig deshalb auch nicht aus Deutschland selbst. Vielmehr war es die deutsche Tochter des US-amerikanischen Konzerns IBM, die mit dem Start eines Projektes zur alternierenden Telearbeit einen Meilenstein in der Auseinandersetzung mit Telearbeit in Deutschland setzte. [4] IBM war es gelungen, sich mit dem Gesamtbetriebsrat auf eine Vereinbarung zu verständigen, in der Aspekte der Arbeitssituation zu Hause, der Finanzierung der häuslichen Infrastruktur, der Aufwandserstattung, der Arbeitszeit, der Haftung und des Versicherungs- und Datenschutzes geregelt wurden. [3] IBM war somit ein Ausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen gelungen. Telearbeit konnte sich auf dieser Grundlage auch in Deutschland als ein Konzept etablieren, das einerseits den Arbeitgeberinteressen nach mehr Flexibilität entspricht, andererseits aber zur Steigerung der Lebensqualität von Beschäftigten, vor allem von jenen mit Familienverantwortung, beiträgt. 1999 konnten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung erstmals auf eine tarifvertragliche Regelung zur alternierenden Telearbeit verständigen. [5] Seither hat das Instrument sukzessive an Bedeutung gewonnen. 2007 lag die Telearbeitsquote auch in Deutschland bei rund 20 Prozent.

Losgelöst von aller ökologischen, gewerkschaftlichen oder sozialrechtlichen Diskussion leistete in Großbritannien eine 1933 in Dortmund geborene, im Rahmen der Kinderlandverschickung nach Großbritannien emigrierte jüdische IT-Spezialistin Pionierarbeit in Sachen Telearbeit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. [weiterlesen]


[1] Seger, Mario Stephan (2005): Alternierende Telearbeit. Flexible Grenzen – Charakter, Konditionen und Effekte eines modernisierenden Arbeitszeitmodells am Beispiel des Modellversuchs „Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer durch alternierende Telearbeit im Bereich der Hessischen Landesverwaltung. Dissertation. TU Darmstadt, S. 14ff.
[2] Kordey, Norbert (1994): 20 Jahre Telearbeit – Eine Zwischenbilanz, Seminarbericht / Gesellschaft für Regionalforschung, Deutschsprachige Gruppe der Regional Science Association : Beiträge zum … Seminar.- Ges. für Regionalforschung, 83 ff
[3] Seger (s.o.), S. 16
[4] Zorn, Werner: Telearbeit – eine neue Arbeitskultur, 10 Jahre Telearbeit bei der IBM Deutschland, http://www.bloch-akademie.de/txt/t4_19.htm (zuletzt besucht am 7.7.2015)
[5] Deutsche Telekom AG (1998): Titel, Ort, S. 57ff.


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