
Planungs- und finanzielle Sicherheit unterstützen eine Familienbildung in der Qualifizierungsphase. Foto: Pixaby.com.
Zum dritten Mal informiert der Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (BuWiN) über die aktuellen Arbeitsbedingungen und Zukunftsperspektiven von Promovierenden in Deutschland. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Hochschul- und außeruniversitären Forschungssektor ist diesmal Schwerpunktthema.
Der Bericht fasst die wichtigsten Forschungsbefunde zusammen und wertet primär Daten aus der amtlichen Statistik und regelmäßig durchgeführten Befragungen aus. Erkenntnisleitende Frage ist jene nach Qualität und Umfang des Konflikts zwischen einer akademischen Karriere und familiären Verpflichtungen, der sich für den wissenschaftlichen Nachwuchs aus den wissenschaftsspezifischen Arbeitsbedingungen und -kulturen ergibt. Ebenso wird analysiert, wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erlebt und gedeutet wird.
Familiengründung während der Qualifizierungsphase nach wie vor unwahrscheinlich
Wie die Autor*innen des Bundesberichtes darstellen, gibt es immer noch keine repräsentativen Daten zum Elternanteil unter Nachwuchswissenschaftler*innen. Das empirische Material verweist auf maximal 30 Prozent Elternschaft während der Qualifizierungsphase. Nach wie vor ist aber der Anteil derer, die sich Kinder wünschen, jedoch die Realisierung des Kinderwunsches aufschieben, hoch. Sie bleiben häufiger kinderlos als andere Hochschulabsovent*innen.
Fehlende Planungs- und finanzielle Sicherheit erschweren Familiengründung
Der wissenschaftliche Nachwuchs selbst nennt die geringe Planbarkeit und die lang andauernde finanzielle Unsicherheit als hauptverantwortlich für die Verzögerung bzw. den Verzicht auf eine Familiengründung. Hohe Arbeits- und Mobilitätsanforderungen sowie mangelnde Betreuungsmöglichkeiten kommen immer wieder erschwerend hinzu.
Familienbildung für Nachwuchswissenschaftlerinnen noch schwieriger
Darüber hinaus erfahren gerade Frauen vielfach Benachteiligungen in der Karriereentwicklung auf Grund von Elternschaft. Noch können zwar, so die Autor*innen des Berichts, keine validen Aussagen über einen negativen Zusammenhang zwischen einer Familienbildung und der Wahrscheinlichkeit, als Frau eine wissenschaftliche Karriere zu machen, gemacht werden. Einzelne Befunde scheinen jedoch tatsächlich auf einen derartigen Zusammenhang hinzuweisen. Besonders herausfordernd stellt sich die Retraditionalisierung der partnerschaftlichen Rollen dar, die der Familiengründung auch im akademischen Nachwuchsmilieu häufig folgt. Frauen unterbrechen ihre Qualifizierung eher und länger als dies bei Männern der Fall ist und übernehmen häufiger die Hauptverantwortung für die Familien- und Hausarbeit.
Zufriedenheit bei jenen, die Familie gründen
Diejenigen Nachwuchswissenschaftler*innen, die Kinder haben, bewerten ihre Vereinbarkeitssituation weder besonders negativ noch besonders positiv. Ganz im Gegenteil ergaben Befragungen, dass sie in der Tendenz sogar eher zufrieden mit ihrer Work-Life-Balance sind als ihre kinderlosen Kolleg*innen. Allerdings schätzen Frauen die Vereinbarkeit negativer ein.
Positive Einschätzung der familienpolitischen Maßnahmen
Die Autor*innen bewerten die für den wissenschaftlichen Nachwuchs vorhandenen familienpolitischen Programme und Maßnahmen als umfassend und tatsächlich entlastend. Wenn die Autor*innen zwar auch hier das Fehlen valider Langzeituntersuchungen kritisieren, finden sie doch etliche Hinweise, dass die Maßnahmen den Bedürfnissen des wissenschaftlichen Nachwuchses größtenteils entsprechen. Für besonders unterstützend befinden die Autor*innen die Angebote zur flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit, Kinderbetreuungsangebote, Workshops zum Thema sowie einschlägige Beratungsangebote.
Handlungsbedarf: Informationsstrategie verbessern
Einen zentralen Handlungsbedarf identifizieren die Autor*innen vor allem in Sachen Information und Kommunikation. In ihren Studien stellten sie fest, dass viele der vorhandenen und zielgruppenspezifisch zugeschnittenen Angebote nicht bekannt sind und ein vergleichsweise hoher Anteil der Nachwuchswissenschaftler*innen angibt, von Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen nicht bei der Vereinbarkeit unterstützt zu werden, obwohl diese entsprechende Maßnahmen vorhalten.
Stabilisierungsmöglichkeiten nutzen
In Bezug auf die drängendsten Handlungsbedarfe sehen die Autor*innen nicht so sehr die Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen in der Verantwortung. Planungssicherheit und finanzielle Stabilität bedürfen staatlicher Regulierung. Gleichwohl fordern die Autor*innen dazu auf, alle auf das Hochschul- und Wissenschaftssystem bezogenen Regelungen und Maßnahmen, die auf Verbesserung der ökonomischen Stabilität und Planbarkeit der wissenschaftlichen Laufbahn zielen, wie die Elternkomponente des WissZeitVG und das von Bund und Ländern beschlossene Tenure-Track-Programm, zu nutzen.
Konsortium Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs (Hrsg.) (2017): Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017. Statistische Daten und Forschungsbefunde zu Promovierenden und Promovierten in Deutschland. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.