Als Bühlers Tanzlokal im Jahr 1913 in Berlin seinen Betrieb aufnahm, war es ein Ballhaus von etwa 800, in das die Berlinerinnen und Berliner allabendlich zum populären Tanzvergnügen einkehrten. Heute ist Clärchens Ballhaus, wie Bühlers Tanzlokal schon bald im Volksmund hieß, immer noch ein beliebtes Ziel von Tanzvergnügten aus Stadt und Umland und dabei Relikt, Zeitkapsel und Sehnsuchtsort zugleich. Wie eh und je finden sich hier Angehörige verschiedener Generationen über alle sozialen Schichten hinweg zusammen, um bis zum Morgengrauen zu tanzen.
In einem Hinterhaus in Berlins vordem gar nicht so feiner Mitte liegt ebenerdig der Tanzsaal, darüber der Spiegelsaal, zunächst vom Ehepaar Bühler gemeinsam als Tanzlokal geführt, dann von Clara allein und schließlich zusammen mit ihrem zweiten Mann. Clara war wohl die eigentliche Herrin des Etablissements, sie arbeitete hart, überließ nichts dem Zufall und nahm sich vor allem selbst nie die Zeit zum Tanzen! Länger als ein halbes Jahrhundert wirkte Clärchen in ihrem Ballhaus und auch nach ihrer Zeit blieb das Tanzlokal ein Familienbetrieb. Bis es dann 2005 in die Hände zweier Berliner Kulturschaffender überging, die das Haus seitdem im Geiste der alten Berliner Ballhaustradition weiterführen.
Marion Kiesows hat Clärchens Ballhaus ein Denkmal gesetzt: In ihrem Prachtband „Berlin tanzt in Clärchens Ballhaus“, erschienen im Nicolai-Verlag, hat sie Geschichte und Geschichten aufgeschrieben, und so spannt sich der Bogen von den Anfängen zu Kaisers Zeiten über Notzeiten im Krieg, wilde Tänze der Goldenen Zwanziger Jahre, über den Verlust des Vorderhauses im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs, die Weiterexistenz als Privatbetrieb im sozialistischen Ostteil der Stadt, Westbesucher und Wiedervereinigung bis hin zur Gegenwart in der vielfältigen Kulturszene der deutschen Hauptstadt. Marion Kiesow hat die Fäden aufgenommen und so kreisen um die Lebensgeschichte von Clara die Erinnerungen und Berichte rund um Betreiber und Besitzer, Stammgäste und Prominente, Hitlisten, Moden und Angestelltendynastien und nicht zuletzt um die Ehen, die im Clärchen gestiftet wurden. So entsteht ein Panorama der Geschichte Berlins und der Kulturgeschichte der letzten hundert Jahre.
Wenn man jede der mehr als 400 mit unzähligen Abbildungen opulent ausgestatteten Seiten umgeblättert, betrachtet und gelesen hat, dann weiß man eines: Clärchens Ballhaus ist einer der Orte, die man in seinem Leben gesehen haben muss, ach was, erlebt und gefühlt und ertanzt… Und das Buch wird man immer wieder zur Hand nehmen, um sich dorthin zu wünschen.
Kiesow, Marion (2013), Berlin tanzt in Clärchens Ballhaus. 100 Jahre Vergnügen. Eine Kulturgeschichte. Berlin. Nicolaische Verlagsbuchhandlung.