Auch das zweite Buch, das wir für Sie ausgewählt haben, dreht sich um alternative Zugänge zum Migrations- und Integrationskontext und wirft Fragen nach der gesellschaftlichen und politischen Zukunft Deutschlands auf.
Yeliz Yildirim-Krannig befasst sich in ihrer Studie mit den Begrifflichkeiten der „Migration“ und „Integration“, ihrer Verwendung und inhaltlichen Bedeutung. Sie untersucht den täglichen und den politischen Sprachgebrauch. Dabei bedient sie sich semantischer sowie diskursanalytischer Vorgehensweisen.
Yildirim-Krannig zeigt, wie die in Deutschland geführten Diskurse um Migration und Integration eine offene und realistische Begegnung mit der Migrationswirklichkeit verhindern. Am Beispiel des Umgangs mit der deutschen Migrationsgeschichte zeichnet sie nach, wie sehr Diskurse und Konzepte von dem jeweiligen politischen Verständnis von Ethnizität und Kultur bestimmt werden und wie sehr deshalb Begrifflichkeiten und Semantik die Wahrnehmung und Bewertung des Migrationsgeschehens beeinflussen. Dabei, so die Autorin, werden sowohl die öffentlich/politischen als auch wissenschaftliche Diskurse in Deutschland nachhaltig von einem Kulturverständnis geprägt, das „entlang des nationalen Diskurses als Nationalkultur“ konstruiert wird. Die größte Herausforderung, die sich laut Yildirim-Krannig daraus ergibt, ist die darin grundgelegte Hierarchisierung der Kultur. Da dadurch strukturelle und soziale Probleme als ethnische bzw. kulturelle Differenzen konstruiert werden, werden sie aus der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gehoben.
Aufbauend auf den Erkenntnissen ihrer Analysen entwickelt sie in der Tradition der neueren soziologischen Migrationsforschung Anregungen für alternative Zugänge. Die Arbeit, so die Autorin einleitend, trägt die Hoffnung auf einen Paradigmenwechsel in sich. Darin fordert sie die Überwindung nationalstaatlich geprägter Zugehensweisen hin zu einem kulturalistischen Verständnis von Integration. So soll die Aufmerksamkeit verstärkt auf die Interaktion von Individuen gerichtet werden. Yildirim-Krannig fordert mehr Analysen über Widersprüchlichkeiten und Machtverhältnisse im Integrationsgeschehen und konkrete Handlungsstrategien, die helfen, die identifizierten Widersprüche und Konflikte aufzulösen.
Yeliz Yildirim-Krannig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Jena / Fachgebiet Interkulturelle Wirtschaftskommunikation. Mit dieser Arbeit hat sie 2014 promoviert.
Yildirim-Krannig, Yeliz (2014): Kultur zwischen Nationalstaatlichkeit und Migration: Plädoyer für einen Paradigmenwechsel, Bielefeld: transcript