Mutterschaft heute

Konstruktionen und Erfahrungen

Der Vielfalt und den Herausforderungen von Muttschaft heute besser gerecht zu werden, sollte Ziel eines jeden familienbewussten Personalmanagements sein.

Was Mutterschaft bedeutet, ändert sich im Zeitverlauf. Ebenso variieren die Vorstellungen über Erziehungsziele, Erziehungsstile und die Erkenntnisse, was Kinder für persönliches Wachstum benötigen. Variabilität besteht in Abhängigkeit von der sozialen, der kulturellen und der generationellen Zugehörigkeit. Ebenso spielen sexuelle Orientierung und ethnische Herkunft eine Rolle.

Die Diversität findet im öffentlichen Diskurs um Mutterschaft, sexuelle Selbstbestimmung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie bislang kaum Aufmerksamkeit. Sie zu sehen würde helfen, individuelle Standpunkte und Herausforderungen besser verstehen und einordnen zu können. Außerdem wäre es im Sinne etwa eines bedarfsgerechten familien- und gleichstellungsbewussten Personalmanagements zielführend, Vielfalt und Spannungsfelder moderner Mutterschaft zu berücksichtigen.

In ihrem Sammelband „Mutterschaft zwischen Konstruktion und Erfahrung“ vereinen die Herausgeberinnen Helga Krüger-Kirn und Laura Wolf zehn Beiträge zur Frage, was es mit „Mutterschaft“ heute auf sich hat: Wo sich Spannungsfelder aufbauen, wie sich strukturelle und persönlich-subjektive Ansprüche und Erfahrungen zueinander verhalten, welche größeren Zusammenhänge sich in welcher Weise auf die Mutterschaft auswirken.

Allen Artikeln gemein ist die Ausrichtung an folgenden zwei Kernbefunden. Erstens: „Konstruktionen von Mutterschaft sind verbunden mit Konzeptionen einer bestimmten Weiblichkeit […] und sind bis heute enorm normativ aufgeladen“. Zweitens: Gleichzeitig ist Mutterschaft „vielschichtiger“ geworden. Aufgrund von neuen Rollenbildern und neuen Familienstrukturen (Patchwork, Co-Mutterschaft, Adoption, Reproduktionsmedizin) wird es immer unmöglicher ein einzelnes Idealbild auszumachen.

Die ersten Beiträge des Sammelbandes lenken den Blick zurück in die Vergangenheit und analysieren historische Entwicklungen. So wird beschrieben, wie durch die zunehmende Gleichstellung der Geschlechter die weibliche Mutterschaft ihr Alleinstellungsmerkmal einbüßt aber auch wie die neuen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin das Selbstverständnis der Mütter verändern.

Im Weiteren befassen sich Beatrice Hungerland und Natalie Berner mit der sozialen Konstruktion von Mutterschaft und analysieren den Einfluss der sozialen Vorstellungen darüber, was eine gute Mutter ausmache, auf die tatsächlichen Ansprüche der Frauen. Gemeinsam mit Katharina Mannhart arbeiten sie die Spannungen zwischen den alten, normativ verstandenen Vorstellungen und den modernen Idealen heraus, innerhalb derer Mütter ihren Platz finden müssen. Dies spielt, wie Janine Schallt zeigt, denn auch in Bezug auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften eine wichtige Rolle. So ist in einer doppelten Mutterschaft die Rolle der sozialen Mutter im Vergleich mit der biologischen Mutter deutlich komplizierter zu definieren und zu leben.

Insgesamt, so problematisieren es Merve Winter, Timo Storck und Anna Müller-Hermann in ihrer Analyse von Mutterdarstellungen in Film und Fernsehen, werden die Überforderungsaspekte und –Symptome von Mutterschaft heute in der öffentlichen Debatte mehr tabuisiert als bearbeitet. Wie groß jedoch die Spannungen und Widersprüche von gelebter Mutterschaft und Mutterschaftskonstruktionen heute sein können, zeigt Tina Kleikampf am Beispiel der „Akademikermütter“.

Während die Frauen zunehmend Wert auf eine möglichst natürliche und persönliche Kleinkindzeit legen (ausgeprägte Stillzeit, etc.), die Kleinkindzeit als einzigartige Möglichkeit persönlichen Wachstums sehen, die sie auf keinen Fall versäumen wollen, wird in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie das Hauptaugenmerk auf den Ausbau institutioneller Kinderbetreuung und das Abschöpfen brachliegender Arbeitskräftepotentiale von Müttern gelegt. Der Widerspruch, der zwischen Selbst- und Fremdkonstruktion besteht, hinterlasse die Frauen oft in einem Dilemma, dessen Auflösung bei ihnen selbst bleibt.

So unterstreicht dieser Sammelband auf gelungene Weise die Notwendigkeit, Mutterschaft im öffentlichen, betrieblichen und politischen Diskurs sehr viel mehr als bislang in seiner Vielschichtigkeit zu sehen und Lösungsansätze zum Abbau von Spannungen zu entwickeln, die in der Widersprüchlichkeit von Erfahrung und Konstruktion von Mutterschaft heute begründet liegen.

 

Krüger-Kirn, Helga; Wolf, Laura (Hrsg.) (2018): Mutterschaft zwischen Konstruktion und Erfahrung. Aktuelle Studien und Standpunkte. Berlin & Toronto: Verlag Barbara Budrich.


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