„Mary Tyler Moore hat die Welt für alle Frauen verändert“, würdigte die TV-Moderatorin Ellen DeGeneres ihre Kollegin.[1] Elizabeth Perkins twitterte, Moore habe gezeigt, dass es okay ist, „stark, single, mutig, rebellisch und frei“ zu sein. Die US-amerikanische Schauspielerin wurde in ihrer Rolle als Mary Richards zum Role-Model zahlloser junger Mädchen und Frauen, die in den 70er Jahren nach Gleichberechtigung, Emanzipation und beruflicher Selbstverwirklichung strebten. Am 25.1.2017 ist sie im Alter von 80 Jahren gestorben.
Bis weit in die 70er Jahre übten in den USA Presse und Fernsehen harsche Kritik an der Frauenbewegung und ihrem Kampf um soziale und berufliche Gleichstellung. Traditionalismus und Sozialkonservativimus prägten das öffentliche Klima. Rollenmodelle jenseits von Ehefrauen und Müttern wies man vehement zurück. Frauenrechtlerinnen diffamierte man als radikal, fanatisch, hysterisch. Besonders heftige mediale Reaktionen löste der Prostest der Frauen gegen die Wahl der Miss America in Atlantic City 1968 aus.
Zentraler Verdienst Mary Tyler Moores ist, dass sie just in dieser Zeit eskalierter medialer Meinungsmache ein emanzipiertes Frauenmodell ins US-amerikanische Fernsehen brachte, das Vorbildfunktion entfalten konnte und sich wachsender Akzeptanz erfreute.[2] Die nach ihr benannte Mary Tyler Moore Show wurde in Form von Sitcoms produziert und von 1970 bis 1977 auf Columbia Broadcasting System (CBS) ausgestrahlt. Die Serie zählte neben „All in the Family“ und „M*A*S*H“ zu einem neuen US-Fernsehkonzept, in dem aktuelle Themen aufgegriffen und für ein breites Publikum aufbereitet wurden.
Im Mittelpunkt der Serie stand Mary Richards, die als Produzentin der Nachrichtensendung eines lokalen Fernsehsenders Karriere machte. Mary war unverheiratet und verlässt, nachdem sie sich von ihrem Verlobten trennte, ihre Familie auf dem Land und zog nach Minneapolis. Dort mietete sie eine eigene Wohnung und richtete ihr Leben auf die Arbeit aus. Eine Entscheidung, die bis dahin in der US-amerikanischen Gesellschaft gänzlich undenkbar schien. Dabei wurde Mary Richards nicht als geborene, kämpferische Emanze inszeniert, sondern als sich entwickelnde Persönlichkeit. [3]
Das Lebenskonzept und Rollenverständnis einer sich selbst modernisierenden jungen Frau wurden für die Zuschauerschaft nachvollziehbar und annehmbar.[4] Dem neuen Frauenbild folgend, verabschiedete sie sich von der Festlegung auf Haushalt und die Familie und suchte Folge für Folge selbstbewusst ihren Platz in der Gesellschaft. Mary Richards blieb Single, wirtschaftlich unabhängig und kinderlos. Sie verwirklichte sich beruflich, hatte Affairen. Sie wirkte glücklich und mit sich selbst zufrieden, war sympathisch und beliebt. Dass die Produzenten Mary Richards dabei immer wieder mit den zeittypischen geschlechtsspezifischen Stereotypen konfrontierte, mit denen sie sich auseinandersetzen musste, erhöhte die Glaubwürdigkeit der Figur zusätzlich.
Als am Ende der Serie das Leitungsteam, das sonst nur aus Männern bestand, mit den Worten „I´m gonna have to let the rest of you guys go“ entlassen wurde, scherzte Mary, dass sie wohl nicht damit gemeint sein kann – sie sei schließlich eine Frau. Die loviale, schlagfertige Art zeigte ihr neues Selbstbewusstsein.
Der Character-driven-Erzählstil, die nachvollziehbare Entwicklung und glaubhafte Verbindung von Weiblichkeit, Erfolg und Unabhängigkeit der Mary Richards machten sie zur idealen Identifikationsfigur. Ihre Strahl- und Überzeugungskraft hat ihr jedoch erst Mary Tyler Moore verliehen, deren Glaubwürdigkeit durch ihre hohe Identifikation mit der Rolle der Mary Richards, ihre eigene Emanzipation und die Sitcom-typische Unmittelbarkeit der Show zusätzlich befördert wurde.[5] Kathryn Fuslier, Historikerin an der Vanderbilt University, ist sich sicher, dass die Show einen substanziellen Einfluss auf die amerikanischen Frauen und die amerikanische Öffentlichkeit entfaltete.
Mary Tyler Moores eigener Werdegang überlagert sich auf vielerlei Weise mit der Figur der Mary Richards.[6] Moores Karriere beginnt mit einer für die Zeit typischen Rolle. Sie spielt die Hausfrau und Mutter in der „Dick van Dyke Show“, die den Geschlechterklischees der 60er Jahre noch voll entspricht. Nach einem Werbespot für Küchengeräte hatte sie ihren ersten Fernsehauftritt in der Serie „Richard Diamond, Private Detective“ (1957). Allerdings waren nur ihre Beine zu sehen und ihre Stimme zu hören. Die Rolle in der „Dick van Dyke Show“ bekam sie vor allem wegen ihres attraktiven Aussehens und weil sie dem Klischee der Westchester Hausfrau entsprach.[7]
Erst mit der Rolle als Mary Richards rückte die Filmindustrie ihr Augenmerk auf das künstlerische Talent Moores. Sie übernahm noch weitere Hauptrollen, u. a. in Robert Redfords Familiendrama „Eine ganz normale Familie“. Hierfür erhält sie den Golden Globe Award und eine Oskarnominierung. Sie erhält 1987 den American Comedy Award für ihr komödiantisches Lebenswerk und 2002 den David Angell Humanitarian Award für ihr soziales Engagement. 1981 wird sie von der Theatergesellschaft Hasty Pudding zur „Frau des Jahres“ gewählt. 1984 erhält sie den Women in Film Crystal Award und im Jahr 2007 den Television Critics Association Award für ihr Lebenswerk. 2011 wird ihr der Screen Actors Guild Life Achievement Award zugesprochen.
1969 gründete sie mit ihrem späteren Ehemann Grant Tinker die Produktionsfirma MTM Enterprises, die sie 1990 an britische Investoren verkaufte und die heute zu 20th Century Fox gehört. Moore war dreimal verheiratet. Ihr Sohn kam bei einem Waffenunfall ums Leben. Selbst Diabetikerin engagierte sie sich zeitlebens in der amerikanischen Diabetikerhilfe. Sie ist mit einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame verewigt.
Quellen:
[1] http://diepresse.com/home/kultur/medien/5160179/TVSerienStar-Mary-Tyler-Moore-gestorben, letzter Zugriff 6.2.2017.
[2] Fuselier, Kathryn (2016): A necessary medium. The Mary Tyler Moore Show and media portrayal of the second wave feminist era, in: Vanderbilt Historical Review. 1.1., S. 3-7.
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Mary_Tyler_Moore_(Fernsehserie), letzter Zugriff 6.2.2017.
[4] Hodenberg, Christina (2014): Fernsehrezeption, Frauenrolle und Wertewandel in den 1970er Jahren: Das Beispiel: „All in the family“. In: Dietz, Bernhard u.a. (Hrsg.): Gab es den Wertewandel? Neue Forschungen zum gesellschaftlich-kulturellen Wandel seit den 1960er Jahren. München: Oldenbourg Verlag, S. 305ff.
[5] Schwaab, Herbert (2013) Imitation of Life. Theoretische Anmerkungen zum Aspekt der Performance und Improvisation in der Filmkomödie und der Sitcom, in: Kleiner, Marcus und Thomas Wilke (Hrsg.): Performativität und Medialität Populärer Kulturen: Theorien, Ästhetiken. Wiesbaden. S. 118f.
[6] http://images.google.de/imgres?imgurl=https%3A%2F%2Fwww.biography.com%2F.image%2Fc_fill%2Ccs_srgb%2Cdpr_1.0%2Cg_face%2Ch_300%2Cq_80%2Cw_300%2FMTE5NDg0MDU1MDc2ODMyNzgz%2Fmary-tyler-moore-9413674-1-402.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.biography.com%2Fpeople%2Fmary-tyler-moore-9413674&h=300&w=300&tbnid=EIM8hpLCYMTfAM%3A&vet=1&docid=NNctwhFqmJ-R4M&ei=7XmYWLCfDIvcUa_VmLAP&tbm=isch&client=firefox-b&iact=rc&uact=3&dur=1648&page=0&start=0&ndsp=48&ved=0ahUKEwjwyc7TyfvRAhULbhQKHa8qBvYQMwgtKBMwEw&bih=947&biw=1920, letzter Zugriff 6.2.2017.
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Mary_Tyler_Moore, letzter Zugriff 6.2.2017.