Flexible Arbeitsarrangements kommen nicht automatisch der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zugute. Entscheidend sind die Leistungs- und Betriebskultur sowie die Erwartungen, die Vorgesetzte bzw. Kolleg*innen an die Beschäftigten haben.
Dies ergab eine Untersuchung von Yvonne Lott vom WSI. Darin untersuchte sie, ob und unter welchen Bedingungen Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeit- und Arbeitsortgestaltung Sorgearbeit erleichtern und Freiräume für Erholung schaffen. Lott kommt zu folgenden Ergebnissen:
Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit in Form von Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit selbst bestimmen können, neigen dazu, mehr zu arbeiten. Arbeiten sie zudem in Betrieben mit sehr hohen Leistungsanforderungen und einer Kultur der sogenannten idealen Arbeitskraft, verschärft sich der Trend zu Überstunden signifikant.
Lotts Analyse ergab, dass Väter, die Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit nutzen, ihre Wochenarbeitszeit um zwei bis vier Stunden ausweiten und die Zeit, die in die Kinderbetreuung fließt, verkürzen. Auch Müttern mit Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit arbeiten etwas länger. Gleichzeitig bringen Mütter, die auch von zu Hause aus arbeiten und gänzlich eigenständig, ihre Arbeitszeit gestalten, deutlich mehr Zeit für die Kinderbetreuung auf. Einen Freizeitgewinn durch flexible Arbeitszeitmodelle findet Lott weder bei den Vätern noch bei den Müttern. (4f.)
Im Sinne einer leistungsorientierten Managementstrategie meint selbstbestimmtes Arbeiten eher ein Arbeiten rund und um die Uhr und zu jeder Zeit, wenn es nötig ist. Lange Arbeitszeiten und hohe Präsenz signalisieren hier Engagement und entscheiden über Karrieren und Verdienstmöglichkeiten mit. Tendenziell wird betrieblicherseits vorausgesetzt, dass die Erwerbsarbeit priorisiert wird. In diesem Kontext ist es schwierig, Flexibilität in der Arbeitszeit- und Arbeitsortgestaltung zur leichteren Wahrnehmung von Sorgeverantwortung und Erholung zu nutzen.
Lott hat in ihrer Studie zwar auch festgestellt, dass es wahrscheinlicher für Mütter als für Väter als legitim angesehen wird, dass sie flexible Arbeitsarrangements zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie nutzen. Gleichwohl wirkt sich die Vereinbarkeitsfokussierung aber auch bei ihnen negativ auf das berufliche Fortkommen aus.
Folgerichtig schließt Lott ihre Studie mit dem Appell, das vielversprechende Potential, das flexible Arbeitszeitarrangements für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Regeneration haben, auch zu nutzen und Maßnahmen für eine geschlechtergerechte und gesundheitsfördernde Nutzung flexibler Arbeitszeiten und Arbeitsorte umzusetzen. (8f.) Ihre Empfehlung zur Arbeitszeiterfassung bei Homeoffice und völlig selbstbestimmten Arbeitszeiten korreliert positiv mit der Entscheidung des EuGH vom 14.5.2019, dass künftig alle Arbeitgeber die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten erfassen müssen.
Lott, Yvonne (2019): Weniger Arbeit, mehr Freizeit? Wofür Mütter und Väter flexible Arbeitszeitarrangements nutzen. WSI-Report. Nr. 47, März 2019: https://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_47_2019.pdf. (letzter Zugriff 15.5.2019)